Liebe Alle.
Gestern:
Die ausländerfeindliche Demo ging trotz anderer Informationen der Polizei direkt hinten (beim Spielplatz) an unserem Heim Allende I vorbei. Ich bin darüber sehr enttäuscht und traurig, denn wir halten grosse Stücke auf den Abschnittsleiter Herrn Knapp. Die Frage ist nun, ob er das zu verantworten hat, und warum das so war.
Ich kam zu spät und sah die Demonstranten nicht mehr.
Security schickte alle Bewohner in den obersten Stock. Zu der Zeit hatte ich noch einen Flüchtling am Telefon und hörte die Panik und das Geschreie der laufenden Anwohner des Heims.
Angekommen war auch ein weiteres Mitglied unsere Arbeitsgruppe Flucht+Menschenrechte. Zusammen gingen wir durch gespenstisch leere und stille Gänge. Alle Türen waren zu. Wie ausgestorben, furchtbar und beklemmend. Wir versuchten durch unsere Präsenz zu zeigen, dass sie nicht allein sind, und besuchten diejenigen, die wir persönlich gut kennen und somit auch an deren Türen klopfen konnten. Ein Familienvater hatte sogar den Türgriff entfernt für den Fall, dass die „Nazis“ in das Gebäude eindringen würden. Diese machten auch nicht die Tür auf, obwohl die Nachbarn versuchten, der verschanzten Familie die Angst zu nehmen.
Wir trafen Kinder und Jugendliche mit verweinten Augen. Ein 16 Jahre alter Jugendlicher hatte den Kleiderschrank zerlegt und eine (Schlag) Stange entfernt, um seine Familie zu beschützen. (Dieser fängt gerade eine Ausbildung als Hotelfachmann an und geht zusätzlich auch noch zur Abendschule.)
Ja – sie hatten ALLE Angst.
Ein Mann (Irak) mit Deutschlandfahnen in seinem Zimmer sagte: „Meine Frau wurde in meiner Heimat ermordet, mein Haus wurde zerbombt, ich bin der Gewalt und Angst entkommen und will zusammen mit meinem kleinen Kind hier in Frieden leben, und nun sind wir schon wieder bedroht und leben in Angst und Schrecken“. Marvan übersetzte uns das.
Ein neu angekommener Flüchtling wurde von vor dem Heim stehenden Männern zu sich gerufen und ging denen nichtsahnend auch noch entgegen. Die Security hat ihn aber noch aufhalten können. Security meinte, die wollten den sicherlich verprügeln. Später, so die Security, wurden Flüchtlinge an der Bushaltestelle bedroht und angegriffen. Die Männern flüchteten dann vor der von der Security gerufenen Polizei.
Von hinten wurden Sachen gegen die Fensterscheiben geschmissen. Das passierte auch schon bei unserem Tanzkurs am Donnerstag, kurz vorm RuTi – wo ich die Polizei rief. Drei junge Männer warfen immer wieder brennende Gegenstände (die Kinder sagten es waren Böller?) mit lautem Krach gegen die Scheiben, während wir im Speisesaaal mit Kindern und Jugendlichen tanzten. Diese Mistkerle konnten sehen, dass es junge Mädchen waren, auf die sie diesen bedrohlichen Akt wiederholt ausübten.
Die Flüchtlinge erzählten uns, dass der Demo-Mob „Ausländer raus!“ gerufen hätte.
Eine Asylbewerberin sagte zu uns: „Die sagen, die haben Angst um ihre Kinder, was meinen die eigentlich was wir haben?“
Nun komme ich zu folgender Erkenntniss. Obwohl die Mobile Beratung gegen Rechts am RuTi (Runder Tisch 11.11.2014) sagten, das ca. 1/4 der Demonstranten Nazis seien und die Polizei meinte, dass es sogar 1/3 sei, scheint es mir doch so, als wären es zum großen Teil die ANWOHNER. Sind da tatsächlich so viele Nazis? Mein Gott was ist hier nur passiert ?
Ich ging danach ins Allende II, sass in Restaurants und Imbissbuden – hörte still dort sitzend erstmal den regen Gesprächen zu, um ein Gefühl dafür zu bekommen, und sprach später mit sehr vielen Anwohnern. Alle sagten, dass es die Nachbarschaft selber ist, die die Ausländer aus Deutschland und Köpenick weghaben will. Deutschland den Deutschen und so.
Jeder meinte, dass sie mitgemacht haben, Jugendliche erzählten, dass ihre Eltern mit dabei waren, dass es wirklich die Anwohner seien, die dort protestierten. Alle fanden das völlig normal, da müsse man sich nicht für schämen.
In einer Imbissbude/Bar von „Charlie“ wurde es besonders interessant. Ich erkannte dieselben Männer – einer von denen hatte versucht, mich aus der Rechtsdemo am 11ten zu entfernen, obwohl ich meinen Internationalen Presseausweis vorzeigte.
Besitzer Charlie ist Türke, hat Imbissbuden/Restaurants im Allende II und zwar seit ca. 20 Jahren, aber, so ein schwankender Anwohner“ „Charlie, bei Dir ist das anders, Du sprichst ja Deutsch“.
So besprachen die Anwohner bei Schnaps und Bier die „Scheiss Ausländer“, während sie mit ihrem Hintern im Haus eines „Ausländers“ sassen.
—————————————————————————————————————————
Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, bitte hier melden:
KONTAKT
—————————————————————————————————————————
Weitere Berichte über die Demos gegen Flüchtlinge vom Flüchtlingsrat, über die Demo gestern von Uffmucken, und von der Taz Die Mär von den Rattenfängern. Von wegen unbescholtene Bürger, die von Neonazis instrumentalisiert werden: Die Proteste gegen Flüchtlingsheime sind von rechts gesteuert. Jeder, der teilnimmt, weiß das.
Pingback: Jugendliche aus 4 Flüchtlingsheimen üben gemeinsam Dabke und Armenischen Tanz im Salvador Allende Haus | Arbeitsgruppe FLUCHT + MENSCHENRECHTE
Pingback: Im Allende II staut sich der Unmut wegen Demonstrationen – Flüchtlingsheimbewohner fühlen sich bedroht | Arbeitsgruppe FLUCHT + MENSCHENRECHTE