“Zirkus, Zirkus, wir gehen jetzt alle zum Zirkus, kommt mit”.
Kinder und Jugendliche, begleitet von jeweils einem unserer ehrenamtlichen AG F+M Mitglieder, zogen um halb drei in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften Treptow-Köpenicks durch die Gänge und Stockwerke und konnten viele Bewohner – auch die ohne Kinder – mit ihrer Vorfreude und Begeisterung anstecken.Viele Erwachsene entschieden sich spontan, Kind und Kegel einzupacken und mitzukommen.
Für Asylsuchende und Flüchtlinge ist der Alltag, ja das Leben selber, oft sehr bedrückend und grau; voller Alpträume, Kummer und Sorgen. Entweder sorgt man sich um seine Familie und Freunde, welche man in Kriegsgebieten zurückgelassen hat; oder man sorgt sich um Asylanträge, die höchstwahrscheinlich abgelehnt werden. Viele leben mit der ständigen Angst – heute in der Nacht oder morgen früh – abgeschoben zu werden.
In jedem Flüchtlingsheim haben fast alle Kinder und Jugendlichen auf diese Art schon neugewonnenen Freunde verloren. Da sind die Schreie und das Weinen – meistens in der frühen Morgenstunde – wenn Familien von der Polizei unsanft aus dem Schlaf gezerrt werden und gehetzt die Koffer packen müssen, bevor sie in einen vergitterten Wagen ohne Fenster gesteckt werden. Freunde – sogar Familienangehörige – die verstört vor den von der Polizei bewachten Türen stehen, um sich zumindest noch zu verabschieden, einmal noch den Freund, Tante, Oma, den Papa in die Arme zu nehmen, werden (oft sehr grob) nicht durchgelassen. Andere horchen mit klopfendem Herzen hinter der verschlossenen Tür ihres Zimmers mit der Angst, selber abgeschoben zu werden. Kriegsflüchtlinge mit Aufenthaltsstatus wiederum erinnern sich an die unsichere Zeit Zuhause, an die Angst und überall lauernde Unterdrückung und Gewalt.
Es fließen immer wieder aus diesem Grund viele Tränen verängstigter Kinder. Vor allem die Erwachsenen sind oft lethargisch, depressiv, ängstlich und mutlos. Auch die Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime – vor allem im Allende Viertel – oder die abweisenden finsteren Blicke von Köpenickern, z.B. bei Bushaltestelle oder Supermarkt, erschweren die Situation dieser Menschen zusätzlich. Beispielsweise ein Opa der vorgestern seinen Einkaufswagen absichtlich in die Seite einer Mutter rammte, nur weil sie schwarze Haare hat und mit ihren Kindern nicht deutsch spricht. Beziehungsweise der Glatzkopf, der seine noch brennende Zigarettenkippe dem Vater in den Rücken schmeißt. Das sind keine Märchen, sondern schändliche wahre Geschichten.
Daher ist es oft eine Herausforderung, die Bewohner von Flüchtlingsunterkünften zu animieren, z.B. um zu einer Veranstaltung mitzukommen, und sie aus den vier Wänden herauszulocken.
Die bösen Blicke konnten wir natürlich auch heute nicht abstellen. So wurde wieder einmal von einer Köpenickerin laut und deutlich hörbar gegen die Ausländer gewettert, als unsere Gruppe mit ca. 50 Leuten in den Bus vor dem Salvador-Allende-Haus einstiegen. Natürlich war der Bus damit knackevoll. Ja, es waren fünf Kinderwagen dabei. Na und? Der Busfahrer, auch aus Köpenick, machte netterweise eine Ausnahme und erlaubte unserer Gruppe aufeinandergestapelt sitzend und dichtgedrängt stehend mitzufahren.
Beim großen Zirkuszelt angekommen, waren alle anderen Gruppen und unsere AG-F+M Kollegen schon da: aus der Erstaufnahmeunterkunft Grünau, aus Adlershof, der neuen Unterkunft Rudower Straße und anderen. Nur aus der Containerunterkunft Alfredt-Randt-Straße kam allein ein Mädchen. In diesem Heim haben wir Schwierigkeiten, mit der Heimleitung zusammenzuarbeiten. So musste unsere ehrenamtliche Kollegin Dominika vor der Tür der Wachmänner warten und konnte die Bewohner nicht informieren, dass sie alle zum Zirkus abholt. Schade für die Kinder, Jugendlichen und Eltern und enttäuschend für alle, die helfen wollen!

(Foto © AG F+M) Abschlussshow von Jugenlichen und KIndern aus zwei Flüchtlingsunterkünften (Salvador-Allende-Haus und Adlershof) im Zirkus Cabuwazi
Das Zirkuszelt war mit 350 Zuschauern vollbepackt; es gab wirklich keine weiteren Sitzplätze mehr.
Mit viel Gelächter wurden die Kinder und Jugendlichen Zirkusartisten aus Flüchtlingsunterkünften Adlershof (Radickestr.) und Salvador Allende Haus begrüßt, als diese (nicht nach Plan) schon übereifrig in die Manege sprangen, obwohl Georg vom Zirkus Cabuwazi gerade seine Begrüssungsrede hielt, welche von zwei Mädchen übersetzt wurde.
Und dann ging es los. Wie die Löwen hüpften und sprangen selbst die vierjährigen durch Reifen, machten Saltos, schlugen Rad, arbeiteten mit Reifen, auf der Hochschaukel, es wurde getanzt und vor allem: es wurde viel applaudiert! Auch bei Pannen, von denen es natürlich auch einige gab. Es war eine wirklich schöne positive Atmosphäre.
Die stolzen glücklichen Kinder und Jugendlichen im Rampenlicht, in einem echten Zirkuszelt! Und so viele Zuschauer waren da: die Eltern, Freunde aus den Flüchtlingsheimen; auch einige Deutsche. Anwesend war sogar der Sprecher vom Integrationssausschuss, Herr Erxleben, der sich für Flüchtlinge und aufopfernd gegen Rassismus engagiert.
Danach gab es für alle Zuschauer und jungen Zirkusartisten umsonst ‚Chili Con Gemüse‘, Salate mit Fleisch oder Pilzen, Melone und Kuchen. Der Zirkus hat sich wirklich große Mühe gemacht, und der Tag war gelungen und ein voller Erfolg.
Unsere Arbeitsgruppe Flucht+Menschenrechte kooperierte mit Zirkus Cabuzwazi für dieses Projekt im Rahmen der Woche gegen Rassismus und Refugees Wellcome
Weitere Beitrage:
Manege frei – die Zweite (Zirkus Cabuwazi im Flüchtlingsheim Salvador-Allende-Haus)
Zirkusauftritt von Flüchtlingskindern und Jugendlichen: Zirkus Cabuwazi, 28.3.2015, 16:00 Uhr