Der muslimische Fastenmonat Ramadan hat begonnen

Liebe nichtmuslimischen Freunde, Verwandte und Nachbarn,
mit der Neumondsichtung (zum Sonnenuntergang des 17.6.2015) begann für die Hälfte der Menschheit und viele Bewohnerinnen und Bewohner der Übergangswohnheime eine 28-30tägige besondere Zeit:
Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime, in dem alle Muslime gemeinsam aufgerufen sind, sich besonders anzustrengen. Die Gläubigen nutzen die persönliche Chance dabei Gott und sich selbst besonders nah zu kommen, sowie geistig eine höhere Ebene zu erreichen. Die Abhängigkeit von den weltlichen Dingen soll in den Hintergrund treten.
Die dazu empfohlene Zeit der Enthaltsamkeit ist dieses Jahr in unseren Breitengraden extrem lang: vom derzeitigen Beginn des Frühlichts ca. 02.29 Uhr früh bis zum Sonnenuntergang um 21.35 Uhr abends zu Beginn des Ramadans und ca. 02.57 bis 21.25 Uhr am wahrscheinlich letzten Fastentag, dem 16.07.2015. Das bedeutet, dass zum Trinken, Essen und allen anderen Freuden des Lebens gerade mal 5 Stunden bleiben. In 15 Jahren wird diese Zeit wieder angenehm lang sein, da sich der Ramadan, der sich nach einem Mondkalender richtet, im Sonnenjahr des gregorianischen Kalenders jeweils um 10 Tage vorwärts verschiebt.
Die Wege, die den gläubigen Muslimen für die Anstrengung in ihrem Glauben vorgegeben sind, finden sich im Koran. Mit Leben erfüllt wurden diese Regeln durch das Beispiel des Propheten Mohammed. Die Überlieferungen dieser geschichtlichen Begebenheiten unterscheiden sich in den jeweiligen Rechtsschulen und Traditionen. Für alle gläubigen Muslime verbindlich sind folgende Richtlinien.

1. Das Fasten, bzw. die Enthaltsamkeit:

Erwachsene, gesunde Männer und Frauen sollen sich tagsüber im Ramadan von Folgendem enthalten:
Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr

Kranke, Reisende, Kinder bis zur Geschlechtsreife, alte Menschen, Schwangere, Stillende, Wöchnerinnen und Frauen während der Menstruation sind von den körperlich anstrengenden Einschränkungen, des „äußerlichen Fastens“ ausgenommen, jedoch dazu angehalten, sich den Fastenden gegenüber besonders rücksichtsvoll zu verhalten. Verbindlich für alle gläubigen Muslime ist ein besonderes Bemühen um „inneres Fasten“, wie sich vor Streit, Fluchen, Schimpfen und anderen Entgleisungen zu hüten.

2. Das Spenden, bzw. die Großzügigkeit:

Alle Muslime sind dazu angehalten, während des Ramadans so viel von ihrem Besitz zu teilen, wie möglich. Eine empfohlene Abgabe ist derzeit mindestens 8€ pro Person. Wer mittellos ist, spendet ein Lächeln, etwas Zeit oder sein Wissen und Können. Mittellose, Waisen- und Halbwaisenkinder, Witwen, Wohnungslose, Gemeinschaftseinrichtungen, wie Schulen und Moscheen sind die bevorzugten Empfänger der Spenden.
Außerdem ist es üblich, seinen allernächsten Menschen, d.h. der Familie gegenüber besonders großzügig zu sein, indem z.B. für die gemeinsamen Mahlzeiten besonders großzügig eingekauft wird, neue Kleidungsstücke oder Wohnungseinrichtungsgegenstände angeschafft werden.

3. Beten und Koranstudium, bzw. Konzentration auf das Spirituelle:

Im Ramadan stellen die fünf Pflichtgebete, die freiwilligen Bittgebete und das Studium des Korans die „Hauptnahrung“ der Gläubigen dar.
Dabei gilt es als besonders segensreich, diese Zeiten der Andacht gemeinsam zu verbringen, um z.B. gegenseitige Motivation und Hilfe zu ermöglichen, das spirituelle Erleben zu vertiefen oder Freude zu teilen.

Das Fasten im Ramadan und alle damit verbundenen Richtlinien stellen eine der „Säulen des Islam“ dar, d.h. einen der essentiellen Glaubens- und Lebensinhalt aller Muslime.
Das öffentliche Leben aller Orte, an denen viele Muslime leben, verändert sich mit dem oben beschriebenen Streben nach dem Transzendenten im Fastenmonat Ramadan sehr stark.
Geduld und Verständnis von Nichtmuslimen ist sehr willkommen, denn zu erwarten sind:

– Öffentliches Leben in der Nacht,
– Ruhe und Schlafen, bzw. Müdigkeit bei Tage,
– Aufregung kurz vor dem Fastenbrechen, diesjährig zwischen 20.30 und 21.30 Uhr. Emsige Essensvorbereitungen, Fahrten zu Freunden, Verwandten und Moscheen sind üblich
– Fastenbrechen (arabisch Iftar) gegen 21.30 Uhr, üblicherweise vor dem Gebet nur mit Wasser oder Milch und Datteln. Anschließend folgt ein gemeinsames Abend-Gebet (arabisch Al-Maghreb).
– Nach dem Abend-Gebet folgt fröhliches Beisammensein mit ausgedehnten Mahlzeiten, diesjährig gegen 22.00 oft bis 24.00 Uhr.
– Treffen zum Frühgebet und der letzten Nacht-Mahlzeit (arabisch Sachur) diesjährig gegen 2.00 Uhr- 3.00 Uhr.
– Vermehrte Spendenbereitschaft (besonders für Übergangswohnheime), ähnlich der Stimmung im Advent
– Bis zu den großen Ferien ist es möglich, auf verloren wirkende, übernächtigte Schulkinder zu treffen
– Viele Muslime zeigen Zurückhaltung bei tagsüber stattfindenden Festen und öffentlichen Veranstaltungen
– Viele Raucher leiden unter Entzugserscheinungen

Besonders feierlich und andachtsvoll begangen werden die letzten 10 Tage des Ramadan, in die die diesjährlich zwischen dem 12. Und 14.Juli erwartete geheimnisvolle Nacht des Schicksals oder Lailat-ul-Kadr fällt. Viele Muslime verlegen während dieser Zeit ihren Wohnsitz in Moscheen, um eine stärkere Kontemplation zu erreichen.
Der Ramadan endet dieses Jahr voraussichtlich am 17. Juli und wird mit dem drei Tage dauernden Fest `Id-ul-Fitr oder in Türkisch geprägten Kulturkreisen sogenannten „Zuckerfest“ begangen.
Das Fest des Fastenbrechens besitzt bei den Muslimen einen ähnlichen Stellenwert, wie das Weihnachtsfest europäisch geprägter Kulturkreise.
Am ersten Ramadan-Fest-Tag trifft man sich recht früh, meist gegen 8.00 Uhr zum gemeinsamen Festgebet und hält anschließend ein ausgedehntes gemeinsames Frühstück ab. Gebet und Frühstück bzw. Picknick finden vorzugsweise im Freien statt. Anschließend gehen viele Familien, Verwandte, Freundinnen oder Freunde gutgelaunt gemeinsam shoppen und erfüllen sich gegenseitig Wünsche oder es werden zuhause Pakete mit Geschenken geöffnet.
Es ist besonders verständnisvoll, wenn anstrengende (Behörden-, Prüfungs- und Workshop-)Termine, die Muslime betreffen, außerhalb der Zeit vom 12. Juli bis zum 20. Juli 2015 geplant werden.

Mehr Infos gern von Gitti (Brigitte Kanacher-Ataya) oder Internet-Portalen, wie http://islam.de

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