Arbeitsmarkt für Flüchtlinge undurchschaubar

STUDIE DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG
Arbeitsmarkt für Flüchtlinge undurchschaubar
Von PITT VON BEBENBURG

Der deutsche Arbeitsmarkt ist für Flüchtlinge nur schwer zu verstehen, was nicht nur an der Sprachbarriere liegt. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten, das der FR vorliegt.

Mit den unterschiedlichsten Projekten versuchen Verwaltung, Verbände und Unternehmen, Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Das funktioniert aber nicht richtig, weil es an einem Gesamtkonzept fehlt, das auch für die Flüchtlinge durchschaubar ist. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Sozialwissenschaftlers Matthias Knuth von der Universität Duisburg-Essen, das im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung entstand und am Dienstag vorgestellt wird.

„Die Konstruktion von Maßnahmen und Projekten spiegelt weniger die Bedarfe der Flüchtlinge als die Bedürfnisse der Akteure, Handlungs- und Kooperationsfähigkeit zu demonstrieren“, lautet das Urteil Knuths, das er am Dienstag in Berlin mit hochrangigen Vertretern des Arbeitsministeriums, der Arbeitsagentur und der Gewerkschaften diskutieren will. Knuth ist Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung.

Für die Betroffenen sei es „nicht nur aus sprachlichen Gründen unmöglich“, die Logik des Arbeitsmarktes zu verstehen. Denn für den Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung spielten unüberschaubare Faktoren eine Rolle – von einer fiktiven Bleibeperspektive, die vom Herkunftsland abhängig ist, über die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts oder den Status als Asylbewerber, Flüchtling oder „subsidiär Schutzberechtigter“.

Angesichts dieser Unübersichtlichkeit bleibe den Flüchtlingen nichts anderes übrig, als sich mit jenen zu vergleichen, die sie für vergleichbar hielten – die es aber nach deutschem Recht oft gar nicht seien. Das habe gravierende Auswirkungen. „Die erste Erfahrung, die Neuankömmlinge mit dem deutschen Rechtsstaat machen, ist daher die Erfahrung scheinbarer Willkür“, notiert der Forscher. Das sei aber für eine Eingewöhnung „in das deutsche Rechts- und Wertesystem extrem schädlich“.

Knuth hatte für seine Expertise Interviews mit Trägern von Arbeitsmarkt-Maßnahmen geführt, mit Großunternehmen, einem Jobcenter und den Wohlfahrtsverbänden. Dabei hat er festgestellt, dass „Brückenlösungen“ für Flüchtlinge ohne deutsche Sprachkenntnisse fehlten.

Hilfsprogramm für alle
Derzeit steckten die Betroffenen in einem Dilemma. Ohne Sprache erhielten sie nicht einmal ein Praktikum. Aber ohne eine Integration in die Arbeitswelt werde auch der Spracherwerb schwierig. „Wenn hier keine Brückenlösungen gefunden werden, kann die Arbeitsmarktintegration allein am Sprachproblem scheitern“, folgert der Sozialwissenschaftler.

Zudem bedauert Knuth, dass die Flüchtlinge in die duale Ausbildung gedrängt würden. „Wer als Flüchtling eigentlich an die Hochschule strebt, aber in eine auf die duale Ausbildung zielende Förderungsschiene geleitet wird, ohne von Sinn und Wert der dualen Ausbildung überzeugt werden zu können, wird am Ende dann doch auf dem überfüllten Arbeitsmarkt für formal nicht Qualifizierte landen“, befürchtet der Wissenschaftler.

Besondere Förderung benötigen aus Knuths Sicht Frauen und ältere Flüchtlinge. Frauen seien „erheblich unterrepräsentiert“ in den Maßnahmen, die derzeit liefen. Zu den Älteren zählt Knuth auch Menschen, die noch keine 50 Jahre alt sind, aber erst die deutsche Sprache lernen müssen. Mit 50 oder 55 Jahren würden sie es schwer haben, angestellt zu werden. Umso wichtiger sei es, jetzt Lösungen für sie zu finden, damit sie nicht zu absehbar Langzeit-Arbeitslosen würden.

Als Lösung schlägt der Forscher ein Bundesprogramm „Arbeitsmarktintegration“ vor, das nicht nur für Flüchtlinge zugänglich sein soll, sondern für „alle Personen im Erwerbsalter mit Problemen des Arbeitsmarktzugangs“. Die Menschen sollten, wenn nötig, über mehrere Jahre hinweg begleitet werden. Als Kern des Programms sieht Knuth eine „verlässliche Beratungs- und Betreuungsstruktur“ an – damit jede und jeder Betroffene seinen Weg finden kann.

Günther Schultze, Migrationsexperte der Friedrich-Ebert-Stiftung, kann diesem Ansatz viel abgewinnen. „Wenn wir diese Reformen auf den Weg bringen, hat die Flüchtlingszuwanderung den Anstoß gegeben für eine bessere Arbeitsmarktpolitik insgesamt“, hofft er.

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