Sollen Ausländer in Deutschland ein Wahlrecht erhalten? Eine Mehrheit der SPD- und Grünen-Anhängern ist dafür, ergab eine exklusive Umfrage für die „Welt“. Das „Ja“ der Befürworter hat jedoch eine Schwäche.
Anhänger von SPD und Grünen wünschen sich eine Änderung des Wahlrechts zugunsten von Nicht-EU-Bürgern. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die „Welt“. Dabei ging es darum, ob Nicht-EU-Bürger, die dauerhaft in Deutschland wohnen, ein Mitbestimmungsrecht in der kommunalen Politik haben sollten. Das hatte zuvor eine Expertenkommission unter dem Vorsitz der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Aydan Özoguz vorgeschlagen.
In der Umfrage spricht sich unter Anhängern der Sozialdemokraten eine Mehrheit von 63,7 Prozent für eine entsprechende Wahlrechtsänderung aus. Bei Grünen-Wählern sind es 64,8 Prozent. Auch Anhänger der Linkspartei befürworten diese Idee mehrheitlich (51,9 Prozent). Ablehnung für ein solches eingeschränktes Wahlrecht äußern dagegen viele Anhängern der CDU und FDP: Dort sprechen sich 65,3 Prozent bzw. 65 Prozent der Befragten gegen diese Idee aus. Nahezu alle befragten AfD-Wähler lehnen den Vorschlag ab (96,9 Prozent).
Blendet man die Parteivorlieben unter den Befragten aus, lehnt insgesamt die Mehrheit den Vorschlag ab: 57,2 Prozent sind gegen ein Wahlrecht für Bürger, die keinen Pass eines EU-Staates besitzen.
Das zaghafte „Ja“ der Befürworter
Während der Befragung ließ sich eine interessante Beobachtung machen. Deutsche, die das Wahlrecht für Ausländer ohne EU-Pass ablehnen, tun das sehr vehement. 42,9 Prozent sagen „Nein, auf keinen Fall“. Das ist mit Abstand der Spitzenwert unter allen Antwortmöglichkeiten. Die Befürworter vertreten ihre Meinung dagegen vergleichsweise zaghaft. Nur 16,2 Prozent der Befragten bekennen sich mit einem „ Ja, auf jeden Fall“ dafür.
Betrachtet man die Abstimmung im Detail, fällt ein weiterer Punkt auf: Junge befürworten eher ein Wahlrecht für Ausländer. 55,6 Prozent der Befragten im Alter zwischen 18 und 29 Jahren unterstützen den Vorschlag. Jedoch gibt auch in dieser Altersgruppe zumindest jeder Dritte (32,8 Prozent) an: „Nein, auf keinen Fall“. Die größte Ablehnung findet sich unter Teilnehmern im Alter zwischen 50 und 64 Jahren. 68,1 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe lehnen die Idee für das vorgeschlagene Wahlrecht ab. Männer und Frauen stimmen bei dieser Umfrage nahezu überein – bei Männern findet der Vorschlag etwas stärkere Zustimmung.
Widerstand in der CDU
Die Expertenkommission hatte die Änderung des Wahlrechts vorgeschlagen, als sie das „Leitbild für die Einwanderungsgesellschaft“ erarbeitete. Die Autoren halten die Möglichkeit, über Fragen im eigenen Lebensumfeld mitzuentscheiden, für einen Teilhabefortschritt.
In den Reihen der CDU stieß die Kommission damit auf Widerstand. Der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, hielt diese Idee für verfassungswidrig. „Das Wahlrecht, mit dem das Volk die Staatsgewalt ausübt, setzt nach der Konzeption des Grundgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit voraus“, sagte Uhl.
Bei der Umfrage handelt es sich um eine dauerhaft laufende Befragung. Aus diesem Grund können die hier im Widget angezeigten Ergebnisse von den Ergebnissen im Artikel abweichen. Zum Stand der Ergebnisermittlung der repräsentativen Online-Umfrage wurden unter allen Wahlberechtigten in Deutschland 5005 Teilnehmer im Zeitraum von 16. Februar bis 17. Februar 2017 um 12:44 Uhr berücksichtigt. Der statistische Fehler des Gesamtergebnisses beträgt 2,5 Prozent.
Zur Civey-Methodik:
Das Umfrageinstitut Civey arbeitet in der Berechnung der repräsentativen Ergebnisse mit einem mehrstufigen Verfahren. Der erste Schritt ist ein sogenanntes Riversampling. Dabei werden alle Umfragen in einem Netzwerk aus über 4000 Websites ausgespielt, um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Der zweite Schritt sind geprüfte Panel-Teilnehmer: Bei der Berechnung der Ergebnisse werden nur registrierte Teilnehmer berücksichtigt. Aus diesen registrierten Nutzern zieht Civey eine quotierte Stichprobe nach folgenden Merkmalen: Alter, Geschlecht, Bevölkerungsdichte und Zeitpunkt der Stimmabgabe. In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse schließlich nach Wertehaltungen und weiteren soziodemographischen Faktoren der Abstimmenden gewichtet, um final etwaige Verzerrungen zu korrigieren und Beeinflussung durch Interessensgruppen zu verhindern.
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