FRAUENTAG
Menschen migrieren und flüchten unabhängig von ihrem Geschlecht. Krieg, Klimawandel, Perspektivlosigkeit, politische und religiöse Verfolgung, Armut und Umweltkatastrophen.
Frauen flüchten vor sexualisierter Gewalt als Teil systematischer Kriegsstrategie. Frauen flüchten vor dem Ausschluss von Menschenrechten und gesellschaftlichen Ressourcen. Frauen flüchten vor Zwangsheirat, Ehrenmord, Genitalverstümmelung und häuslicher Gewalt. Frausein kann manchmal schon ein Fluchtgrund an sich sein.
Immer mehr Flüchtende und Migrannten drängen in die EU, ein geringerer Teil davon sind Frauen.
Frauen sind aufgrund von Kinderversorgung oftmals weniger mobil und haben oft weniger Zugang zu Geld. Aus z.B. Afrika oder den Orient kommend haben Frauen in den meisten Fällen weniger oder sogar gar keine Rechte zur Selbstbestimmung, und die Familie, bzw. die Männer entscheiden über ihren Aufenthaltsort.
Auch wenn die Mehrzahl der Menschen die zu uns ziehen nichtverheiratete junge Männer sind, auch verheiratete Männer kommen oft zuerst alleine an.
Sie gehen vor, lassen Frauen und Kinder auf der Flucht irgendwo sicher zurück, oder eben auch nicht. Vertriebene, Flüchtlinge, Frauen die aus Not ihr Zuhause verlassen mussten sind oft der Willkür ausgesetzt.
Der Willkür von anderen Flüchtenden oder Migrierenden, Beamten und Schleusern.
Diskriminierung, Sexueller Belästigung, Erpressung, Verschleppung, Sexuelle Nötigung, Zwangsprostitution, Vergewaltigung, gehören für viele Frauen zum Alltag.
Die wenigen Frauen, die uns erreichen, erleben auch hier sexualisierte Gewalt und sexistische Diskriminierung – durch andere Geflüchtete, Hilfskräfte und Personal. Es fehlt an ausreichenden Gewaltschutzkonzepten, es fehlt an Möglichkeiten für eine getrennte Unterbringung, Frauenhäuser, es gibt kaum gendersensible Beratungsangebote. Ein Viertel der geflüchteten Frauen hat sexualisierte Gewalt erlebt und mindestens die Hälfte sonstige körperliche Gewalt – vor der Flucht, auf der Flucht und nach der Flucht!
Die nächste Hürde stellt das Asylverfahren dar. Sexistische Diskriminierung und sexualisierteGewalt kann in Deutschland zu einem Schutzanspruch führen. Bisher werden aber weniger als ein Prozent der geflüchteten Menschen aufgrund ihres Geschlechts geschützt.
Denn in der tatsächlichen Asylrechtspraxis dominiert die Vorstellung von dem Flüchtling als öffentlicher – sprich männlicher – Akteur, der vom Staat verfolgt wird.
Menschenrechtsverletzungen im Privaten werden nur selten als Fluchtgrund anerkannt. Und sexistische Diskriminierung und sexualisierte Gewalt in der öffentlichen Sphäre werden oft als »private« Übergriffe verstanden.
Frauen flüchten auch vor religiös kulturell bedingter Diskriminierung und Unterdrückung, um ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu leben.
Aber viele Frauen kennen ihre Rechte nicht, Beratungspersonal, Ehrenamtliche,Lehrer, Sozialarbeiter, sind oft nicht ausreichend sensibilisiert. In den Asylanhörungen fehlen vertrauenswürdige Dolmetscherinnen. Oftmals gibt es nicht mal die Möglichkeit, Anhörungsprotokolle vor den Ehemännern geheim zu halten. Und wird geschlechtsspezifische Verfolgung tatsächlich dargelegt, bekommen die Betroffenen selten einen echter Flüchtlingsstatus, sondern lediglich einen subsidiärer Schutz oder ein Abschiebeverbot. Ohne anerkannten Schutzstatus ist aber eine Familienzusammenführung mit ihren Kindern nicht möglich.
Wenn Frauen zusammen mit ihren Ehemännern geflüchtet sind, werden ihre Fluchtgründe ohnehin regelmäßig ignoriert.
Im Rahmen des Familienasyls muss nur ein Elternteil anerkannt werden, damit die Familie hier bleiben kann. In der bisherigen Asylrechtspraxis ist das typischerweise der Ehemann, von dem die ganze Familie abhängig wird. Und wenn danach der Leistungsbescheid des Jobcenters kommt, ist der Ehemann standardmäßig der Leistungsempfänger und die Ehefrau nur Teil der Bedarfsgemeinschaft. Unsere Praxis zementiert damit die Vorstellung des männlichen Haushaltsvorstandes.
Viele neu-zu-uns-hinzugezogene Frauen erleben Diskriminierung, Unterdrückung und führen kein selbstbestimmtes Leben. Ehemänner, die Familie, ihr kulturell-religiöses Umfeld, ihre Gemeinde und Landsleute bestimmen weiterhin ihr Leben mit Regeln und Normen des Patriarchats.